Distelfalter @ Albert Krebs

Insektensterben

Seit vielen Jahren machen Wissenschaft und Naturschutzorganisationen die Öffentlichkeit auf das Verschwinden der Insekten aufmerksam. Dieser Rückgang hat nicht nur Auswirkungen auf die Ökosystemleistungen wie Bestäubung oder Bodenfruchtbarkeit, sondern betrifft auch die gesamte Nahrungskette, da sich viele Tiere von Insekten ernähren. Im Oktober 2017 bestätigte eine Langzeitstudie aus Deutschland das Ausmass des Insektenverlusts. Für die Schweiz liegt seit 2021 ein umfassender Bericht zur Insektenvielfalt vor. Er zeigt, dass die Situation im Kulturland und bei den Gewässern besonders dramatisch ist und sich aktuell auch im Berggebiet verstärkt. Der Bericht enthält ein wissenschaftlich fundiertes 12-Punkte-Programm zur Rettung der Insekten unseres Landes.
  


Ein Rückgang um 75 %


Die zwischen 1989 und 2015 in mehr als 60 Schutzgebieten Westdeutschlands durchgeführte Studie ergab einen Rückgang der Biomasse der Fluginsekten um 75 % innert 26 Jahren. Diese Entwicklung betrifft nicht nur einen Lebensraumtyp, sondern alle analysierten offenen Lebensräume. Betroffen sind generell Insekten, nicht nur seltene oder gefährdete Arten. Im Oktober 2019 erschien eine weitere Studie in "Nature", die den Rückgang belegt. Ein internationales Forschungsteam hatte zwischen 2008 und 2017 in Brandenburg, Thüringen und Baden-Württemberg auf Wiesen und im Wald über eine Million Insekten gesammelt. Das Fazit: In beiden Lebensräumen ist innert nur zehn Jahren etwa ein Drittel der Insektenarten verschwunden. Alarmierend ist auch der Rückgang der Insekten-Biomasse: Diese ist in zehn Jahren im Wald um etwa 40 Prozent zurückgegangen, auf den Wiesen gar um zwei Drittel.

Der Bericht «Insektenvielfalt in der Schweiz» des Forums Biodiversität der Akademie der Naturwissenschaften von 2021 lässt Ähnliches befürchten. Die Wissenschafter:innen haben dafür die verfügbaren Daten der Roten Listen, von Monitoringprogrammen und Studien analysiert. Sie zeigen, dass Vielfalt und Grösse der Insektenbestände vor allem im Mittelland stark zurückgingen, mittlerweile aber auch im Jura und in den Alpen. Rund 60% der Insektenarten sind bedroht oder potenziell gefährdet. Um die teils dramatischen Entwicklungen zu stoppen, schlagen die Autorinnen und Autoren ein «12-Punkte-Programm Insekten» vor.

Die Entwicklung bei den Insekten ist ein Abbild für den allgemeinen Verlust der biologischen Vielfalt, bedingt durch unsere nicht nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen und unserem Umgang mit der Umwelt.
  


Die Ursachen des Rückgangs


Die Ursachen für den Rückgang der Insekten in der Schweiz sind weitgehend bekannt. Einerseits ist das der andauernde Verlust an Lebensräumen und Strukturen durch die sehr intensive Landnutzung. Anderseits der Rückgang der Qualität der verbliebenen Lebensräume durch Überdüngung, Pestizide oder invasive Arten.

  • Neben der intensiven Bewirtschaftung von Feldern und Wiesen mit einem hohen Einsatz an Pestiziden mangelt es im Kulturland auch an Strukturen. Brachen, Blumenwiesen oder Ackerrandstreifen, Hecken und Feldgehölze mit blütenreichen Säumen, offene Bodenstellen etc. ermöglichen es nur noch sehr wenigen Insektenarten genügend Nahrung zu finden und sich erfolgreich zu reproduzieren. Insektenfeindliche Mähmethoden oder das Mähen sämtlicher Flächen auf einmal oder zur falschen Zeit sowie der Abtransport mit Siloballen tragen zusätzlich zum Rückgang bei. Unter der intensiven Bewirtschaftung leiden nicht nur die Insekten, sondern auch Kleintiere wie Amphibien, Reptilien, Vögel und kleinere Säugetiere wie die Haselmaus.
      
  • Im Wald fehlen die artenreichen Zerfallsphasen weitgehend, lichte Wälder sind selten. Im stark beschattenden gleichförmigen Wirtschafts-Hochwald hat es wenig Licht, weniger Krautschicht und daher auch weniger Insekten.
      
  • Im Siedlungsraum schliesslich werden zu viele Böden versiegelt. Gärten enthalten weitgehend exotische Pflanzen, auf denen nur wenige Insektenarten leben können. An vielen Lampen verbrennen Insekten während der Nacht oder sie fliegen bis zur Erschöpfung.
     
  • Die Insekten der Gewässer leiden unter den Einträgen von Pestiziden und anderen Stoffen aus unterschiedlichen Quellen.

Eine umfassende Auslegeordunung zu den Ursachen des Insektensterbens finden Sie in einem Bafu-Bericht vom August 2019 (PDF).
    


Gravierende Konsequenzen auch für den Menschen


Insekten sind für eine ganze Anzahl an Ökosystemleistungen verantwortlich. Fehlen die Insekten, fallen auch diese Leistungen je länger je geringer aus:

  • Bestäubung: Sehr viele unserer Nutzpflanzen werden durch Insekten bestäubt. Je vielfältiger die Bestäuber, desto besser der Fruchtansatz.
      
  • Schädlingsregulation: In Brachen und Feldrandstreifen mit einer hohen Pflanzenvielfalt leben auch viele nützliche Insektenarten, welche für Kulturpflanzen schädliche Insekten fressen und deren Bestände kontrollieren. Damit können letztere keine grossen Bestände entwickeln. Fallen nun die Nützlinge weg, so können die Schädlinge überhand nehmen.
      
  • Bodenfruchtbarkeit und Humusbildung: Viele Insekten, Mikroben und weitere wirbellose Tiere tragen zum Abbau von totem Pflanzenmaterial und toten Tieren bei. Damit geben sie Nährstoffe an den Boden zurück und tragen zur Humusbildung bei. Der Boden kann so auch mehr Wasser speichern.
      
  • Nahrungsgrundlage: Vögel, Fische, Amphibien und Reptilien ernähren sich von Insekten. 

  


Was wir für die Insekten tun können

Das 12-Punkte-Programm Insekten des Forums Biodiversität Schweiz formuliert Massnahmen für unterschiedliche Bereiche, die sich gegenseitig unterstützen und ergänzen. Die wichtigsten:

  • Noch bestehende Insektenhotspots erhalten, Lebensräume aufwerten und neu schaffen. In der ganzen Landschaft braucht es eine Ökologische Infrastruktur, die auch den Insekten das Überleben sichert.
      
  • Pestizide minimieren und Nährstoffeinträge reduzieren.
      
  • Insektenschonend bewirtschaften. Insekten profitieren unter anderem von gestaffelten Schnittzeitpunkten, arten- und blütenreichen Säumen, kleinen und grossen Strukturen, einer extensiven Bewirtschaftung und ausreichend Totholz unterschiedlicher Qualität. Durch die Vermeidung von schädigenden Bewirtschaftungs- und Erntetechniken wie Kreisel- und Fadenmäher, Silage, Laubbläser und Steinfräsen lassen sich Verluste bei den Insekten minimieren.
     
  • Lichtverschmutzung reduzieren. Künstliche Lichtquellen machen nachtaktiven Insekten zu schaffen. Ihnen helfen Dunkelflächen, temporäre Abschaltung nicht benötigten Lichts, gezielte Abschirmung von Lichtquellen und eine systematische Einführung von LED Lampen mit insektenfreundlichem Lichtspektrum.
    Broschüre "Vogelfreundliches Bauen mit Glas und Licht" (PDF)
    Flyer "Für eine naturfreundliche Beleuchtung von Haus, Hof und Garten" von BirdLife Aargau (PDF)
      
  • Jede und jeder kann in kleinem Rahmen vor der Haustür etwas beitragen. Wer in seinem Garten oder auf seinem Balkon einheimische Blütenpflanzen setzt, bietet Insekten einen reich gedeckten Tisch. Eine Blumenwiese statt eines einheitlichen Rasens ist ein echtes Insekteneldorado, ebenso eine Hecke mit einheimischen Sträuchern. Totholz und offene, sandige Bodenstellen bieten Nistplätze für Insekten, zum Beispiel für Wildbienen. Pestizide haben auch im Siedlungsraum nichts zu suchen.
    Natur rund ums Haus fördern
    Wildbienen fördern

 


Weitere Infos/Links


Artikel über das Insektensterben:

Seiten von BirdLife Schweiz: