BirdLife warnt: Die Geier Afrikas und Europas könnten innert wenigen Jahrzehnten aussterben

Medienmitteilung des SVS/BirdLife Schweiz vom 8.9.2014

Der weltgrösste Naturschutzverband BirdLife International warnt, dass die Geier schon bald zu den bedrohtesten Vögeln der Erde gehören könnten. Die Gründe sind vielfältig – das grösste Problem aber ist der Wirkstoff Diclofenac, der in der Veterinärmedizin als Entzündungshemmer eingesetzt wird. Nehmen die Geier beim Fressen von Kadavern den Wirkstoff auf, sterben sie. BirdLife International hat deshalb die Kampagne «Stop Vulture Poisoning Now» gestartet. BirdLife Schweiz will verhindern, dass Diclofenac auch in der Schweiz zugelassen wird.

Nachdem bereits in Asien Millionen von Geiern gestorben sind, könnte ihnen dasselbe Schicksal nun in Afrika und Europa blühen, warnen die Vogelschutzexperten von BirdLife International. Die Geier leiden darunter, dass kranke Nutztiere mit dem veterinärmedizinischen Wirkstoff Diclofenac, einem Entzündungshemmer, behandelt werden. Fressen die Geier an den Kadavern, nehmen sie den Wirkstoff auf und verenden: Für sie ist Diclofenac schon in kleinsten Mengen tödlich. Aus diesem Grund verschwanden in Indien, Pakistan und Nepal bereits 99 Prozent aller Geier, und mehrere Arten stehen am Rand des Aussterbens. Auf Druck von BirdLife-Partnern wurde daher Diclofenac in diesen Ländern in der Veterinärmedizin verboten und durch andere unproblematische Produkte wie Meloxicam ersetzt.

Jetzt aber sehen sich auch die Geier in Afrika und in Europa mit dem Problem konfrontiert. In Europa wurde Diclofenac in der Veterinärmedizin bereits in Spanien und Italien zugelassen und ist auf dem Markt erhältlich. Dies ist umso bedenklicher, da beide Länder den Grossteil der europäischen Geierpopulationen beherbergen (Spanien: 97% der europäischen Mönchsgeierpopulation). Insbesondere in Afrika kommen weitere Bedrohungen hinzu: vorsätzliche oder versehentliche Vergiftung, Tötung für die Verwendung von Körperteilen in der traditionellen Medizin, Verlust von Lebensräumen, Kollision mit Starkstromleitungen etc.

In der Schweiz, wo sich dank einem aufwändigen Wiederansiedlungsprojekt langsam wieder ein Bartgeierbestand entwickelt, ist das Medikament zurzeit nicht für den Einsatz in der Veterinärmedizin zugelassen, eine Zulassung könnte jedoch grosse Auswirkungen auf die fragilen Geierbestände haben. Auf Anfrage von BirdLife Schweiz, der Stiftung Pro Bartgeier und der Schweizerischen Vogelwarte Sempach teilte die zuständige Behörde «Swissmedic» mit, dass sie die von Diclofenac ausgehende Gefährdung auf Geier zur Kenntnis genommen haben und bei der künftigen Begutachtungstätigkeit berücksichtigen werde. BirdLife Schweiz wird eine Zulassung in der Schweiz mit allen verfügbaren Mitteln bekämpfen.

Mit der Beseitigung von Kadavern von toten Tieren nehmen Geier eine wichtige Rolle im Ökosystem ein. So reduzieren Geier die Ausbreitung von Krankheiten. Jüngste Untersuchungen zeigen, dass auch Adler durch Diclofenac geschädigt werden können. „Bartgeier und Steinadler sind wieder in die Alpen zurückgekehrt. Durch die Zulassung von Diclofenac für die Veterinärmedizin drohen diese majestätischen Vögel wieder aus den Alpen zu verschwinden“, sagt Pascal König, Projektleiter Landwirtschaft bei BirdLife Schweiz. 

Aus diesen Gründen hat BirdLife International – die grösste Naturschutzorganisation der Welt – das Programm „Stop Vulture Poisoning Now“ ins Leben gerufen. BirdLife Schweiz ruft auf, dieses wichtige Programm zu unterstützen. Spenden sind möglich auf dieser Website: https://www.justgiving.com/stop-vulture-poisoning-now

Weitere Informationen: http://www.birdlife.org/europe-and-central-asia/project/ban-veterinary-diclofenac-now

Update 25.9.2014: http://www.birdlife.org/europe-and-central-asia/news/european-medicines-agency-must-rule-killer-drug-november-30-europe

Update 10.11.2014: An der Vertragsstaatenkonferenz des Übereinkommens zur Erhaltung der wandernden wildlebenden Tierarten (Convention on the Conservation of Migratory Species of Wild Animals CMS) wurde beschlossen, dass die Vergiftung von Zugvögeln verhindert werden soll. Ganz wichtig war dabei die Empfehlung, das Arzneimittel Diclofenac bei der Rinderbehandlung zu verbieten.

 

BirdLife International und BirdLife Schweiz

BirdLife International ist der weltgrösste Naturschutzverband. Ihm gehören weltweit 120 BirdLife-Partner und 13 Millionen Mitglieder und Gönner an.

BirdLife Schweiz ist der Schweizer Partner von BirdLife International und vereint als Dachverband der Natur- und Vogelschutzorganisationen zwei Landesorganisationen, 18 Kantonalverbände und 450 lokale Sektionen. Er arbeitet auf lokaler, regionaler, nationaler und internationaler Ebene.

BirdLife International arbeitet gemeinsam mit der Vulture Conservation Foundation auf ein vollständiges Verbot von Diclofenac in der Veterinärmedizin in der EU hin. Gleichzeitig informieren die BirdLife-Partner wie BirdLife Schweiz in ihren Ländern über die Gefahren von Diclofenac.

 

Was ist Diclofenac?

Diclofenac ist ein entzündungshemmender Wirkstoff, der in vielen Medikamenten – vor allem Schmerzmitteln – eingesetzt wird. Er ist für Geier bereits in geringsten Mengen extrem giftig. Wenn die Vögel von Kadavern fressen, die mit Diclofenac verseucht sind, sterben sie innert weniger als zwei Tagen. In Südasien sind in den Neunzigerjahren deswegen 99 Prozent aller Geierbestände ausgestorben.

 

Welche Geierarten gibt es und wie gefährdet sind sie?

Weltweit kommen 21 Geierarten vor. Fünf von ihnen leben auf dem amerikanischen Kontinent. Die anderen 16, die Altwelt-Geier, findet man in Afrika, Europa und Asien. Von diesen 16 Altwelt-Geiern sind 12 Arten weltweit gefährdet oder potenziell gefährdet. Es wird erwartet, dass diese Zahlen noch steigen werden.

In Europa brüten vier Geierarten: Schmutzgeier (gefährdet), Mönchsgeier (potenziell gefährdet), Gänsegeier (nicht gefährdet, aber wichtige Populationen in Europa) und Bartgeier (potenziell gefährdet, weltweit 1300-6700 Vögel, wichtige Populationen in Europa). Drei der vier Arten konnten ihre Bestände aufgrund von Schutzprogrammen der EU etwas ausweiten. In der Schweiz ist dank einem laufenden Wiederansiedlungsprojekt der Bartgeier zurückgekehrt. Insgesamt 67 LIFE-Projekte stehen in Zusammenhang mit den Geiern. Allein zwischen 2008 und 2012 unterstützte die EU 9 Geier-Schutzprojekte mit insgesamt 10,7 Millionen Euro. All diese Bemühungen würden zunichte gemacht, wenn Diclofenac verbreitet in der Tiermedizin eingesetzt würde.

In Afrika kommen 11 Geierarten vor, 7 von ihnen sind weltweit gefährdet. 5 von diesen 7 Arten mussten erst in den letzten 7 Jahren auf die Rote Liste gesetzt werden.

 

Gibt es Alternativen für Diclofenac?

Ja. Eine gute und sichere Alternative ist der Wirkstoff Meloxicam, der für Vögel keine Gefahr darstellt. Weil das Patent für Meloxicam älter ist als zehn Jahre, kann der Wirkstoff kostengünstig von jeder Firma hergestellt werden.

 

Kontakt

Pascal König, Projektleiter Landwirtschaft SVS/BirdLife Schweiz Tel. 044 457 70 26, pascal.koenig@birdlife.ch
  


Bilder

Gänsegeier. Bild: Michael Gerber

Das Bild darf nur in Zusammenhang mit dieser Medienmitteilung und unter korrekter Angab des Fotografen verwendet werden!

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Gänsegeier. Bild: Michael Gerber

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