Neue Rote Liste der weltweit gefährdeten Arten zeigt die Biodiversitätskrise – weltweit und besonders stark in der Schweiz

Medienmitteilung von BirdLife Schweiz vom 12.12.2023

BirdLife International ist das Kompetenzzentrum für die Einstufung der Vögel auf der weltweiten Roten Liste der Internationalen Naturschutz-Union (IUCN). Heute informierten die beiden Organisationen über die neue globale Rote Liste der gefährdeten Arten. BirdLife Schweiz nimmt eine Einordnung der Resultate aus Schweizer Perspektive vor.

Weltweit sind 28 % aller untersuchten Arten bedroht, das heisst, sie stehen gemäss den strengen quantitativen und semiquantitativen Kriterien der IUCN auf der Roten Liste. In der Schweiz sind es 35 % aller untersuchten Arten. Sowohl weltweit als auch in der Schweiz gehören die Amphibien zu den am stärksten bedrohten Artengruppen: Weltweit sind 41 % aller untersuchten Amphibienarten bedroht, in der Schweiz sind es 79 %. Bei den Vogelarten sind es weltweit 12 %, in der Schweiz gar 40 %. Weitere 20 % der Vogelarten stehen in der Schweiz auf der Vorwarnliste (Kategorie «Near-Threatened»). Damit ist der Anteil gefährdeter Vogelarten in der Schweiz mehr als drei Mal höher als weltweit.

Die Roten Listen der Schweiz werden durch die wissenschaftlich tätigen nationalen Datenzentren, Info Species, die Rote Liste der Vögel durch die Schweizerische Vogelwarte erarbeitet, jeweils gemäss den international geltenden IUCN-Kriterien und im Auftrag des BAFU.

Ein direkter Vergleich der Zahlen von national und global gefährdeten Arten ist zwar nur bedingt möglich. Der grosse Unterschied zum Beispiel bei den Vögeln und der besonders hohe Anteil gefährdeter Arten in der Schweiz liefern jedoch klare Hinweise auf die besorgniserregende Situation der Biodiversität in der Schweiz.

Förderung weltweit bedrohter Vögel in der Schweiz

Drei Vogelarten der globalen Roten Liste und fünf Arten der globalen Vorwarnliste (Kategorie «Near-Threatened») sind auch in der Schweiz heimische, regelmässige Brutvögel. Zwei weitere Arten der Vorwarnliste, der Grosse Brachvogel und der Rotkopfwürger, waren früher regelmässige Brutvögel in der Schweiz, sind aber heute hierzulande praktisch ausgestorben.

BirdLife Schweiz und seine Partner setzen sich für den Schutz mehrerer dieser Arten ein, indem sie ihre Lebensräume ökologisch aufwerten und sich für eine biodiversitätsfreundliche Politik stark machen. Drei dieser Arten fördert BirdLife Schweiz in speziellen Projekten, die Arten sind Turteltaube, Rotkopfwürger und Kiebitz.

Turteltaube
Die weltweit bedrohte Turteltaube ist in der Schweiz noch als Brutvogel präsent, allerdings sind ihre Bestände klein, rückläufig und stark vom Aussterben bedroht. Eine von 2017 bis 2019 in Genf durchgeführte Bestandsaufnahme des BirdLife-Kantonalverbands GOBG zeigte einen dramatischen Rückgang auf nur noch etwa 16 Reviere, was einem Rückgang von 70 % seit 1998 entspricht. Die Mehrzahl dieser Reviere liegt in der Champagne Genevoise. BirdLife Schweiz plant, im nächsten Jahr in dieser Region sowie in den «Bois de Suchy» im Kanton Waadt spezifische Brachen anzulegen, um das Nahrungsangebot für die Turteltaube während der Brutzeit zu verbessern. Ähnliche Initiativen wurden bereits im Tessin und im Grossen Moos gestartet. Die Fördermassnahmen basieren vorwiegend auf Erkenntnissen aus England, wo sie sich bereits als erfolgreich erwiesen haben. Neben einer Verschlechterung des Nahrungsangebots ist die Turteltaube zusätzlich durch Jagd und Wilderei bedroht.

Rotkopfwürger
Der Rotkopfwürger ist ein ehemals häufiger und weit verbreiteter Brutvogel der Schweiz, der aufgrund der massiven Intensivierung der Landwirtschaft heute funktional ausgestorben ist. Der Verlust von strukturreichen Hochstamm-Obstgärten und der Rückgang an Grossinsekten, die seine Nahrung bilden, haben zum Zusammenbruch seiner Bestände geführt. BirdLife setzt sich am Farnsberg BL zusammen mit seinen lokalen BirdLife-Sektionen, dem Kantonalverband BNV, dem Landwirtschaftlichen Zentrum Ebenrain und weiteren Partnern seit rund 20 Jahren für die Lebensräume des Rotkopfwürgers ein. In dieser Zeit wurden 2000 Bäume und 5000 Büsche gepflanzt, über 30 Hektaren wertvolle Blumenwiesen und Säume angelegt oder ihre Qualität aufgewertet. Verschiedene Insekten, Vögel und weitere Tier- und Pflanzenarten haben von diesen Aufwertungsmassnahmen profitiert. Für die letzten Rotkopfwürger der Schweiz kamen sie jedoch zu spät. Obwohl der Klimawandel dieser mehrheitlich mediterranen Art in der Schweiz eigentlich entgegenkommen würde, ist der Rotkopfwürger inzwischen praktisch ausgestorben. Weltweit steht die Art neu auf der Vorwarnliste der Roten Liste («potenziell gefährdet»). Das zeigt, dass wir nicht länger zuwarten können mit entschiedenen Massnahmen zugunsten wertvoller Lebensräume und Ökosysteme.

Kiebitz
Der Kiebitz steht weltweit auf der Vorwarnliste der Roten Liste, weil seine Bestände rückläufig sind. BirdLife Schweiz arbeitet zusammen mit verschiedenen Partnern an mehreren Projekten zum Schutz dieser Art, unter anderem im Grossen Moos BE, im Fraubrunnenmoos BE, im Neeracherried ZH, im Oerlingerried ZH, im Frauenwinkel SZ und im Nuoler Ried SZ. Im Vordergrund stehen der Schutz der Nester und Jungvögel vor Landwirtschaftsmaschinen sowie die Förderung geeigneter Lebensräume mit feuchten Wiesen und Weiden, die für die Nahrungssuche der Jungvögel essenziell sind. Dank dieser und weiterer gezielter Projekte hat der Kiebitzbestand in den letzten 15 Jahren von weniger als 100 Paaren auf ca. 200 Paare zugenommen, bleibt damit aber immer noch stark hinter den Beständen Ende der 1970er-Jahre mit ca. 1'000 Brutpaaren zurück. Das Beispiel zeigt jedoch, dass das Aussterben gefährdeter Arten durch entschiedenes Handeln verhindert werden kann. 

   

BirdLife Schweiz: gemeinsam für die Biodiversität – lokal bis weltweit

BirdLife Schweiz engagiert sich mit Fachkenntnis und Herzblut für die Natur. Mit 69'000 Mitgliedern, 430 lokalen Sektionen, Kantonalverbänden und BirdLife-Organisationen in 115 Ländern ist BirdLife Schweiz Teil des grössten Naturschutz-Netzwerks der Welt: BirdLife International – in der Gemeinde verwurzelt, weltweit wirksam.

Gemeinsam mit unseren Mitgliedern setzen wir uns für die Biodiversität ein. Wir führen zahlreiche Schutzprojekte für gefährdete Arten und ihre Lebensräume durch, vom Steinkauz über den Eisvogel bis zur Ökologischen Infrastruktur. Mit den BirdLife-Naturzentren, der Zeitschrift Ornis und vielfältigen BirdLife-Kursen machen wir die Natur hautnah erlebbar und motivieren zu ihrem Schutz.

Gemeinsam mit Ihnen? Erfahren Sie mehr und werden Sie Teil des BirdLife-Netzwerks: birdlife.ch

BirdLife Schweiz dankt für Ihr Interesse und Ihre Unterstützung.
 

 


Bilder

Der Kiebitz steht weltweit auf der Vorwarnliste der Roten Liste, weil seine Bestände rückläufig sind. BirdLife Schweiz arbeitet zusammen mit Partnern in mehreren Projekten zugunsten dieser Art.

Foto: Hans Glader

Das Bild darf nur im Zusammenhang mit dieser Medienmitteilung und unter korrekter Angabe des Fotografen verwendet werden.


Die weltweit bedrohte Turteltaube kommt in der Schweiz als Brutvogel noch vor, aber die Bestände sind sehr klein, rückläufig und akut vom Aussterben bedroht.

Foto: Mathias Schäf

Das Bild darf nur im Zusammenhang mit dieser Medienmitteilung und unter korrekter Angabe des Fotografen verwendet werden.

 


Medienmitteilung Download


Auskünfte

Stefan Bachmann, Tel. 044 457 70 23