Sündenfälle der Schweizer Wasserpolitik

Gemeinsame Medienmitteilung von WWF Schweiz, Pro Natura, SVS/BirdLife Schweiz, Stiftung Landschaftsschutz Schweiz (SL), Schweizerischer Fischerei-Verband, Aqua Viva – Rheinaubund, Schweizerische Greina-Stiftung vom 22. Mai 2013

Am heutigen Tag der Artenvielfalt gibt es für die Schweizer Gewässer nichts zu feiern: Der Gewässerschutz bleibt oft Papier, die Artenvielfalt nimmt weiter ab und die letzten natürlichen Gewässerabschnitte sind durch den geplanten masslosen Ausbau der Wasserkraft bedroht. Die Umweltverbände zeigen dies anhand von vier besonders krassen Beispielen.

Gewässer sind Lebensadern, doch die Artenvielfalt in den Schweizer Gewässern ist gefährdet. „Die Behörden sind gesetzlich dazu verpflichtet, die Fliessgewässer zu schützen. Doch faktisch machen sie zurzeit das Gegenteil“, ärgert sich der WWF-Gewässerexperte Dani Heusser. So werden die gesetzlich längst fälligen Restwassersanierungen unterhalb von Wasserkraftwerken nur lasch oder gar nicht umgesetzt. Und die Politik plant, im Zuge der Energiewende den geltenden Gewässerschutz massiv zu schwächen. Gleichzeitig gibt es eine Flut von neuen Projekten für kleine Wasserkraftwerke. Hunderte von Kleinkraftwerken sollen mit Bundessubventionen gebaut werden, obwohl sie nur marginal zur Stromversorgung beitragen.
„Die letzten natürlichen Flüsse und Bäche brauchen unseren Schutz. Die Schweiz als Wasserschloss hat hier eine besondere Verantwortung“, sagt Luca Vetterli von Pro Natura. Wenn sich der verhängnisvolle Trend nicht stoppen lässt, wird das Leben in unseren Gewässern weiter verarmen. Bereits heute sind zwei Drittel der Fischarten auf der Roten Liste. Die Folgen der rücksichtslosen Ausbaupolitik demonstrieren vier besonders schlimme Sündenfälle.

Schweizer Gewässer: Vier grosse Sündenfälle

• Rheinfall (SH) in Gefahr
Der Rheinfall ist der grösste Wasserfall Europas und ein Naturphänomen von internationaler Bedeutung. Selbst hier soll Wasser für die Stromproduktion abgezweigt werden, was einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen würde. In diese Richtung gehen aber Bemühungen im Parlament in Bern, weitgehende Eingriffe in Schutzgebiete stark zu vereinfachen. „Wovor würde künftig noch zurückgeschreckt, wenn nicht vor dem Rheinfall?“ fragt Stefan Kunz von Aqua Viva – Rheinaubund.

• Auenlandschaft Bilderne (VS) als Bau- und Freizeitzone
Auenlandschaften sind nicht nur schön, sondern wegen ihrer vielfältigen Lebensräume auch Perlen der Artenvielfalt – die Regenwälder Europas. Sie beherbergen die Hälfte aller Tier und Pflanzenarten. Doch der Auenschutz ist teilweise katastrophal. Offensichtlich zeigt dies das Beispiel „Bilderne“ im Oberwallis. Diese Auenlandschaft von nationaler Bedeutung erhält vom Kraftwerk zu wenig Restwasser, wurde verbaut und es hat dort auch einen Sportplatz. Die Behörden tun nichts für den Schutz dieser Aue, eines der wenigen Kleinode an der Rhone.

• Maggia- und Bleniotal (TI): Auenlandschaft ohne Wasser
Im Maggia- und das Bleniotal zweigen die bestehenden Fassungen 95% bis 98% des Wassers ab, was die Flüsse austrocknen lässt. „Wenn den Auen das Wasser fehlt, können sie ihre Funktion als Lebensraum unzähliger bedrohter Tiere und Pflanzen nicht mehr erfüllen“ gibt Raffael Ayé, Artenschutzexperte beim SVS/BirdLife Schweiz zu bedenken. „Dabei haben diese Tessiner Auen europäische Bedeutung.“ Längst hätten die Kraftwerkbetreiber Abhilfe schaffen müssen, doch der Kanton setzt die geltenden Gesetze nicht um. Das ist kein Einzelfall: Heute entsprechen zwei Drittel der vom revidierten Gewässerschutzgesetz betroffenen Wasserfassungen in der Schweiz noch immer nicht den gesetzlichen Vorgaben  – nach 20 Jahren Übergangsfrist!

• Kleinkraftwerk bedroht die Lammschlucht (LU)
Kleine Wasserkraftwerke produzieren für viel Geld wenig Strom und zerstören dafür oft grosse Naturwerte. Besonders deutlich zeigt sich dieser Verhältnisblödsinn bei der Waldemme im Unesco-Biosphärenreservat Entlebuch. Statt durch die Lammschlucht soll das Wasser künftig überwiegend in dunklen Stollen fliessen. Die intakte Wasserlandschaft verliert ihren Reiz und die fisch- und artenreichen Lammschlucht wird zerstört. Durch diese Schlucht fliesst einer der schönsten, noch ungenutzten Bäche des Kantons Luzern.
  


Weitere Informationen

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gerne:

  • Dani Heusser, Gewässerschutz-Experte WWF Schweiz, 076 594 07 80
  • Luca Vetterli, Gewässerschutz-Experte Pro Natura, 091 835 57 67
  • Raffael Ayé, Artenschutzexperte SVS/BirdLife Schweiz, 044 457 70 28
  • Roman Hapka, stellvertretender Geschäftsleiter der Stiftung Landschaftsschutz , 079 601 76 64
  • Stefan Kunz, Geschäftsführer Aqua Viva - Rheinaubund, 079 631 34 67
  • Gallus Cadonau, Geschäftsführer der Schweizerischen Greina-Stiftung, 044 252 02 09