Beschleunigungserlass: kühlen Kopf bewahren

Der Beschleunigungserlass, den das Bundesparlament Ende September 2025 verabschiedete, hat mit der ursprünglichen Vorlage des Bundesrats nicht mehr viel gemeinsam. Geblieben ist die Straffung der Verfahren und des Instanzenzugs. Künftig stellt für Photovoltaik- und Windenergieanlagen von nationaler Bedeutung ein Plangenehmigungsverfahren den Normalfall dar, das die bisher getrennten Verfahren Nutzungsplanung und Baubewilligung zusammennimmt. Gegen die Plangenehmigung ist eine Beschwerde nur noch an das kantonale Gericht und in öffentlich-rechtlichen Belangen ans Bundesgericht möglich. Soweit waren auch die Naturschutzorganisationen mit den Änderungen einverstanden.

Das Parlament führte jedoch zahlreiche weitere Gesetzesänderungen ein (siehe Ornis 2/25). Für Wind- und Solaranlagen von nationaler Bedeutung ist künftig innerhalb sogenannter Eignungsgebiete kein projektspezifischer Eintrag im Richtplan mehr nötig. Das heisst, ihr Standort ist nicht näher bekannt. Wasserrechtskonzessionen sollen vom Bundesgericht nur noch mit Einschränkungen beurteilt werden dürfen. Selbst ein neues Stauwehr wird über eine Zusatzkonzession statt über eine Hauptkonzession ermöglicht. Generell wird die unabhängige Beurteilung durch Gerichte eingeschränkt, da die «Rüge der Unangemessenheit» nicht mehr möglich ist. Die Energieunternehmen können sich von einem Teil der Ausgleichsmassnahmen gemäss Rundem Tisch Wasserkraft «freikaufen». Die genauen Auswirkungen dieser Änderungen sind selbst für Jurist/innen schwierig abzuschätzen.

 

«Es wäre naheliegend, in der Enttäuschung über das Vorgehen des Ständerats nach einem Referendum zu rufen. Aber ist das der richtige Weg?»


Die gravierendste Gesetzesänderung betrifft jedoch die 16 grossen Wasserkraftprojekte des Stromgesetzes: Der Weiterzug einer allfälligen Beschwerde ans Bundesgericht ist neu ausgeschlossen. Das Bundesgericht muss regelmässig Bagatellfälle bearbeiten – aber einige der grössten Infrastrukturprojekte unserer Zeit sollen von der Überprüfung durch das Bundesgericht ausgenommen werden? Das ist unsachgemäss!

Eine vernünftige Kompromisslösung bezüglich der 16 grossen Wasserkraftprojekte lag auf dem Tisch: Eine Beschwerde wäre nur noch möglich gewesen, wenn drei Organisationen sie zusammen einreichen. Diese Vorgabe hätte bei den Organisationen das Bewusstsein zusätzlich geschärft, dass eine Beschwerde gegen diese Projekte nur in besonders wichtigen Fällen und nach besonders sorgfältiger Prüfung eingereicht werden sollte. Bundesrat, Nationalrat, die Kantone und die Strombranche unterstützten diesen Kompromiss. BirdLife, Pro Natura und WWF hatten öffentlich signalisiert, dass sie sich damit abfinden würden. Nur der Ständerat hielt monatelang an der kompletten Streichung des Verbandsbeschwerderechts für diese 16 Projekte fest. Zuletzt schien es mehr um den Stolz einiger Ständeräte zu gehen als um die Sache. Am Abend vor der letzten Differenzbereinigung im Ständerat wurde der Vorschlag eingereicht, dass die 16 Projekte nur noch vom kantonalen Gericht und nicht mehr vom Bundesgericht geprüft werden können. Bereits zwei Tage später stimmte die Einigungskonferenz zu. Eine sorgfältige Prüfung dieses Vorschlags fand nicht statt. Die Gesetzesinterpretation könnte kantonal sehr unterschiedlich ausfallen.

Es wäre naheliegend, in der Enttäuschung über das Vorgehen des Ständerats nach einem Referendum zu rufen. Aber ist das der richtige Weg? BirdLife war nicht zum Runden Tisch Wasserkraft eingeladen. Trotzdem stehen wir zu den Abmachungen des Runden Tisches. Die Planung der 16 Grosswasserkraftprojekte soll rasch und sorgfältig an die Hand genommen werden. Die Strombranche hatte sich im Parlament für den vernünftigen Kompromiss betreffend Verbandsbeschwerderecht eingesetzt und sich mehrfach zur Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen bekannt. Es ist für die Natur wirkungsvoller, wenn die Naturschutzorganisationen sich konstruktiv-kritisch in die Planung der 16 Projekte einbringen, statt per Referendum eine emotional aufgeladene Debatte zu befeuern. 

Der Geschäftsführer Dr. Raffael Ayé fasst hier die Haltung von BirdLife Schweiz zu politischen Fragen zusammen.