Energiegesetz: Umweltverbände warnen vor Kahlschlag beim Naturschutz

Medienmitteilung von Pro Natura, BirdLife Schweiz, Greenpeace Schweiz und WWF Schweiz vom 9.9.2022

Angesichts des heute publik gewordenen Gesetzesentwurfs der UREK-S rufen Pro Natura, BirdLife Schweiz, Greenpeace Schweiz und WWF zur Vernunft auf. Bewährte Naturschutzgesetze unter dem Vorwand der Versorgungssicherheit radikal über den Haufen zu werfen, ist fatal. Der Schaden an der Natur stünde in keinem Verhältnis zum Nutzen für die Energiegewinnung.

Die Revision des Energie- und Stromversorgungsgesetzes ist überfällig, nachdem das Volk bereits 2017 die Energiestrategie und den ersten Schritt zu deren Umsetzung beschlossen hat. Die Umweltverbände wollen eine Vorlage, welche die Energiewende rasch voranbringt. Die UREK-S legt nun aber einen unausgegorenen Vorschlag vor. Nebst guten Elementen setzt dieser völlig verantwortungslos auf einen Kahlschlag bei der Natur:

  • Die Kommission will das Umweltrecht  einseitig der Energieproduktion unterordnen. Aber Klimawandel und Biodiversitätskrise dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden, sondern verlangen nach gemeinsamen Lösungen.
     
  • Sie will den Schutz der Biotope von nationaler Bedeutung aus dem Energiegesetz streichen und damit die allerwertvollsten Schutzgebiete der Schweiz für den Bau von Energieanlagen opfern. Das sind etwa das Maderanertal, das Val Roseg oder die Greina. Notabene Gebiete, welche gerade mal 2% der Landesfläche ausmachen, jedoch einen Drittel aller in der Schweiz bedrohten Tierarten beherbergen  – ein weiterer Angriff auf die heute schon massiv gebeutelte Artenvielfalt.
     
  • Sie will Teile des Gewässerschutzgesetzes ausser Kraft setzen, insbesondere bezüglich Restwassermengen. Und dies obschon unsere Flüsse und Bäche durch die Klimaerhitzung bereits heute unter Trockenheit leiden. Statt unsere Gewässer fit zu machen, um die Folgen der Klimakrise und das Artensterben im und am Wasser anzugehen, soll unseren Gewässern das dringend benötigte Restwasser verweigert werden. 
     
  • Sie will bei Eingriffen in die wichtigsten Landschaftsschutzgebiete die Pflicht zu Schutz-, Wiederherstellungs-, Ersatz- oder Ausgleichsmassnahmen streichen. Konkret hiesse das, dass in weniger wertvollen Landschaften weiterhin Massnahmen durchgeführt werden müssen, nicht aber in den für die Natur allerwertvollsten Gebieten. Das ist völlig paradox.

Kurzfristig werden durch diese extremen Massnahmen nur wenige Kilowattstunden Strom produziert. Und langfristig sind sie nicht matchentscheidend für eine sichere Energieversorgung. Der irreversible Schaden an den Gewässern, an der Biodiversität und damit an unseren Lebensgrundlagen, ist hingegen gewiss. Er steht in keinem Verhältnis zum Nutzen für die Energieversorgung.

So gelingt eine sichere Energieversorgung

Die Umweltallianz hat mit ihrer Publikation “Sichere Stromversorgung 2035” aufgezeigt, wie die Energiewende naturverträglich gelingt:

  • Auf Gebäuden, an Fassaden sowie auf bestehenden Infrastrukturen besteht ein Solarpotenzial von 82 TWh pro Jahr.
     
  • Für eine sichere Winterversorgung braucht es einen Ausbau der Photovoltaik mit hohem Winterertrag und einen optimalen Abgleich zwischen der Wasserkraft (Wasserkraftreserve) und den anderen erneuerbaren Energien. Auch die 15 Projekte des Runden Tisches Wasserkraft und die dazugehörigen ökologischen Verbesserungen sollen gemäss den gemeinsamen Empfehlungen von Kantonen, Branche und Umweltorganisationen vorangetrieben werden. Zu den Vereinbarungen, die am Runden Tisch getroffen wurden, gehört aber auch das Bekenntnis zu den geltenden Schutzbestimmungen und zu austarierten Lösungen. Diese Einigung darf jetzt nicht hintergangen werden.  
  • Um Zielkonflikte zwischen dem Erhalt der Natur und der Nutzung gut zu lösen, bringt eine vorausschauende Planung und effizientere Abläufe Lösungen, die zielführend und rasch umgesetzt werden können.

Ein radikaler Abbau von über viele Jahre bewährten Umwelt- und Naturschutzgesetzen nützt niemandem und bedroht unsere Lebensgrundlagen. Die Umweltverbände rufen den Ständerat auf, diese untauglichen Vorschläge der Kommission zu korrigieren. Vernünftige Lösungen in Form von Minderheitsanträgen liegen auf dem Tisch. Die Kleine Kammer, die - hoffentlich nicht zu unrecht - auch den Namen  “Chambre de réfléxion” trägt, muss diesen jetzt zum Erfolg verhelfen. 
 


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