Agrarlobby setzt sich durch: Es droht jahrelanger Stillstand auf Kosten von Mensch und Umwelt

Medienmitteilung vom 21. August 2020 von Pro Natura, WWF Schweiz, BirdLife Schweiz und Greenpeace Schweiz

Die vier Umweltorganisationen Pro Natura, WWF Schweiz, BirdLife Schweiz und Greenpeace Schweiz sind entsetzt, dass die Wirtschaftskommission des Ständerates die Beratung der Agrarpolitik AP22+ stoppen will. Das heisst, jahrelang soll nichts gegen die gravierenden Missstände in der Landwirtschaft unternommen werden. Die Kommission weigert sich damit, den Verfassungsauftrag zur Ernährungssicherheit umzusetzen. Durch die Verzögerung werden die Umweltprobleme weiter zunehmen, wird die Biodiversität weiter abnehmen und wird der Rückhalt für die Landwirtschaft in der Bevölkerung gefährdet. Inakzeptabel!

  • Die ständerätliche Wirtschaftskommission will die Beratung zur AP22+ stoppen und um Jahre hinaus schieben.
     
  • Folgt der Ständerat seiner Kommission wäre das ein dramatischer Rückschlag für die Natur, aber auch für alle Bäuerinnen und Bauern, die schon heute mit der Natur statt gegen sie produzieren.
     
  •  Der Entscheid der WAK-S zeigt: Mit ihrer Kampagne «Agrarlobby stoppen» treffen die Umweltverbände ins Schwarze.


«Mit diesem Entscheid tritt die Kommission sämtliche Umweltanliegen mit Füssen und gefährdet damit unsere Ernährungssicherheit», betont Marcel Liner, Landwirtschaftsexperte bei Pro Natura. Die Verwaltung hat fast sechs Jahre lang an der AP22+ gearbeitet. Eine Vernehmlassung wurde durchgeführt und unzählige Workshops wurden abgehalten - unter Einbezug aller Akteure, auch des Schweizerischen Bauernverbands. Die überwältigende Mehrheit der Akteure der Land- und Ernährungswirtschaft, darunter die Label-Produzentinnen und -Produzenten, die Konsumentinnen und Konsumenten sowie die Kantone unterstützen die AP22+ und haben eine rasche Umsetzung gefordert.

«Dass jetzt eine Mehrheit der Kommission alles verhindert und blockiert, ist inakzeptabel!», erklärt Eva Wyss, Projektleiterin Landwirtschaft beim WWF Schweiz. Der Ständerat muss diesen Entscheid seiner vorberatenden Kommission jetzt dringend korrigieren und die Sistierung ablehnen. Das wäre auch im Interesse der vielen engagierten Bäuerinnen und Bauern, die naturnah produzieren möchten und den Rückhalt und die Unterstützung der Bevölkerung brauchen.

Die Umwelt kann nicht länger warten
Kein einziges der 13 Umweltziele ist erreicht. Mit Milliarden wird eine Landwirtschaft finanziert, welche die Umwelt zerstört. Der Selbstversorgungsgrad wird mit steigenden Futtermittel-Importen künstlich hochgehalten. Immer mehr Flächen werden mit Remisen, Masthallen und grösseren Ställen zugebaut oder gleich eingezont. Böden werden verdichtet und Lebensräume vernichtet.  «Immer mehr Insekten, Vögel und Pflanzen sind aufgrund der intensiven Landwirtschaft gefährdet und finden im Kulturland kaum noch geeignete Lebensräume», sagt Patrik Peyer, Projektleiter Landwirtschaft bei BirdLife Schweiz. All dies ist seit Jahrzehnten bekannt, soll aber nach dem Willen der Mehrheit der Ständeratskommission nicht geändert werden. Stattdessen soll ein neuer Bericht erstellt werden.

Zukunftsfähige Landwirtschaft auf die lange Bank geschoben
Dabei müsste ein anderer Weg eingeschlagen werden: mehr Schweizer Nahrungsmittel durch standortangepasste Produktion statt schädlicher Fleischproduktion mit Importfutter. Mehr Innovation in der Produktion und Klimaschutz dank neuen Produktionssystemen. Mehr Biodiversität dank weniger Pestiziden und weniger Stickstoffeinträgen. Attraktive Erholungsgebiete dank mehr Strukturen und Vielfalt. Dass dies möglich ist, zeigen schon heute Tausende von Bäuerinnen und Bauern. Statt sie zu unterstützen, schliesst sich die Mehrheit der ständerätlichen Kommission der Agrarlobby an und schiebt eine zukunftsfähige Landwirtschaft auf die lange Bank. Den Schaden haben die Umwelt und die künftigen Generationen.

Folgt auch der Ständerat seiner Kommission und sistiert die AP22+, wäre dies ein dramatischer Rückschlag für die Natur, aber auch für die gesamte Branche. Der Entscheid ist völlig unverständlich, denn mit der AP22+ hätte die Ernährungssicherheit gestärkt- und es hätten soziale Fortschritte für die Bäuerinnen und Bauern erzielt werden können.
  


Kontakt

  • Eva Wyss, Landwirtschaftsexpertin WWF, WWF Schweiz, eva.wyss@wwf.ch, 079 352 09 47
  • Marcel Liner, Verantwortlicher Agrarpolitik bei Pro Natura, marcel.liner@pronatura.ch, 079 730 76 64
  • Medienstelle Greenpeace Schweiz, +41 44 447 41 11, pressestelle.ch@greenpeace.org
  • Patrik Peyer, Projektleiter Landwirtschaft, BirdLife Schweiz, patrik.peyer@birdlife.ch, 079 810 04 80