Mit 105 Hektaren Fläche ist das Neeracherried eines der letzten grossen Flachmoore der Schweiz und von nationaler Bedeutung. Es bietet Lebensraum für unzählige Vögel, Pflanzen, Amphibien, Reptilien und Kleintiere. Zudem weiden im Ried Schottische Hochlandrinder. BirdLife Schweiz betreibt das BirdLife-Naturzentrum Neeracherried mit einem Leistungsauftrag des Gemeinnützigen Fonds des Kantons Zürich, in Zusammenarbeit mit der Fachstelle Naturschutz Kanton Zürich. Um den Schutz des Rieds kümmert sich seit 1927 die Ala - Schweizerische Gesellschaft für Vogelkunde und Vogelschutz.
 


Vögel
Bekassine-051.jpgIm Neeracherried brüten Dutzende typischer Riedbewohner wie Rohrammer und Teichrohrsänger, aber auch das seltene Tüpfelsumpfhuhn oder die Zwergdommel. Die Lachmöwen-Kolonie ist mit über 100 Brutpaaren eine der grössten der Schweiz. Seit drei Jahren brüten auch Rohrweihen im Gebiet – einer von ganz wenigen Plätzen der Schweiz. Auch Nachtigall und Kuckuck brüten im Gebiet und sind ab Mitte April zu hören. Dank der Beweidung mit Schottischen Hochlandrindern brütet auch der Kiebitz im Ried und fällt im Frühling mit seinem spektakulären Balzflug auf.

Im Frühling und Herbst rasten in den ausgedehnten Riedwiesen und an den Teichen Enten und Watvögel. Häufig beobachten lässt sich die Bekassine mit ihrem eindrücklich langen Schnabel. Im Spätsommer rasten Brutvögel des hohen Nordens wie der elegante Grünschenkel oder der quirlige Zwergstrandläufer im Neeracherried. Hier können Sie für ihren Weiterflug nach Afrika in Kürze "auftanken".

Das Neeracherried ist auch wichtig als Überwinterungsgebiet für Wasservögel. Wenn die Wasserflächen nicht gefrieren, nutzen Hunderte Enten, v.a. Krick-, Schnatter-, Pfeif- und Stockente, das Schutzgebiet.

Pflanzen
Gelbe_Schwertlilie-SB.jpgIn den Feuchtwiesen blühen verschiedene attraktive Arten wie Gelbe und die Sibirische Schwertlilie, Zungen-Hahnenfuss sowie mehrere Orchideen. Häufig ist z.B. die die Weisse Sumpfwurz. In der Weide der Schottischen Hochlandrinder wachsen die seltene Braune Zyperbinse und der Nickende Zweizahn, in den Hecken am Rand des Rieds lässt sich im Frühling die Blüte der meisten einheimischen Sträucher verfolgen und im Herbst das grosse Angebot an Früchten bestaunen.

Amphibien, Reptilien und Fische
Häufige Amphibien sind Grünfrösche wie der Seefrosch, doch auch seltenere Arten wie Laubfrosch oder Teichmolch kommen im Ried vor. Wegen den Strassen, die das Gebiet durchschneiden, sind Arten wie die Erdkröte oder der Grasfrosch leider aus vielen Teilen des Rieds verschwunden.

Um Reptilien zu sehen, braucht es etwas mehr Geduld. Um so eindrücklicher ist es, wenn man eine schwimmende (ungefährliche) Ringelnatter oder eine Blindschleiche erblickt. Zaun- und Mooreidechsen sieht man manchmal über die Stege oder Seggenbülten huschen oder entdeckt sie beim Sonnenbad auf den Steinhaufen. Auch verschiedene Fische finden einen geeigneten Lebensraum im Neeracherried. Besonders zu erwähnen ist der Bitterling, der seine Eier in die Kiemen der Teichmuschel legt und sehr selten ist.

Insekten und andere Kleintiere
Plattbauch-009.jpgGenau 50 Libellenarten wurden im Neeracherried schon nachgewiesen. Neben häufigeren Arten, zum Beispiel dem Plattbauch, findet man auch Spezialitäten wie die Kleine Binsenjungfer. Walter Leuthold hat die Libellen des Rieds in den letzten Jahren untersucht und die Ergebnisse in einer lesenswerten Publikation zusammengestellt. Der Artikel wurde im Jahr 2009 in der Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich publiziert:

Walter Leuthold: «Libellen des Rieds» (Download PDF, 1.3 MB).

2023 hat Walter Leuthold zudem ein Update zur Publikation verfasst:

Libellen Neeracherried, Update 2022

In den Riedwiesen und Kleingewässern lebt eine Vielzahl von weiteren Wirbellosen, darunter einige gefährdete Heuschreckenarten und viele verschiedene - vor allem wasserbewohnende - Käfer.

Schottische Hochlandrinder
Die Schottischen Hochlandrinder beweiden von Frühling bis Herbst einen kleinen Teil der Feuchtwiesen des Neeracherrieds. So halten sie die Vegetation niedrig und schaffen Lebensräume für Vögel und konkurrenzschwache Pflanzen. Dank der Beweidung gab es im Neeracherried wieder Bruten von Kiebitz und gar Bekassine, die vorher aus dem Gebiet verschwunden waren - eine kleine Sensation! Die seltene Braune Zyperbinse sowie der Nickende Zweizahn konnten sich dank der Beweidung stark ausbreiten. Zudem ist die Weidefläche der wichtigste Rastplatz für Watvögel im Kanton Zürich - im Sommerhalbjahr sind hier Kiebitz, Bruchwasserläufer, Bekassine und viele weitere Limikolen zu Gast.


Fast atemberaubend war das Tempo, mit dem die Landschaft rund um das BirdLife-Naturzentrum Neeracherried in den letzten 100 Jahren umgestaltet wurde. Das Ried, an das sich ältere Anwohner der Umgebung erinnern können, war ein ganz anderes, als wir es heute kennen. Diese Landschaft ist nicht einfach per Zufall so geworden. Konkrete Entscheide haben sie geprägt und geformt.

Das Ried vor 1500 Jahren
Ein grosser Sumpf mit Bächen, die frei und in mehreren Armen durch die Ebene schlängeln, kleinere und grössere Teiche, viele Büsche und Bäume: So etwa sah die Gegend zwischen Dielsdorf und Neerach wohl vor 1500 Jahren aus. Auch wenn schon seit einiger Zeit Menschen in der Region lebten, hielten sich deren Eingriffe im Grenzen.

Das Ried im Mittelalter
Die erste Umgestaltung der Sumpfebene fand im Hochmittelalter statt. Die Menschen aus der Umgebung begannen, das Ried als Viehweide zu nutzen. Ein Teil der Büsche und Bäume wurde regelmässig abgeholzt und als Brennholz genutzt. Die Landschaft wurde offener und war ab dem frühen Mittelalter ein wichtiger Teil des Kulturlands. Bis zu 130 Kühe und Pferde fanden im Ried den Sommer über eine praktische Weidefläche.

Die Entwicklung des Rieds im 18. und 19. Jahrhundert
Noch Ende des 18. Jahrhunderts reichte die offene Sumpfebene von Dielsdorf bis zum Stadlersee, vier Bäche bahnten sich ihren Lauf durch die Ebene, der Wasserstand des Rieds variierte vermutlich je nach Wetter stark. Ende des 19. Jahrhunderts erreichten die Riedflächen für die Bauern grosse Bedeutung, Gehölze und Einzelbäume wurden zugunsten des Grünlands abgeholzt. Die Kontrolle der Ent- und Bewässerung in der Ebene sollte mit verschiedenen Einrichtungen (Kanäle, Schleusen, Drainagen) erreicht werden.

Das Neeracherried bis Mitte 20. Jahrhundert
Während des ersten Weltkriegs war Nahrung ein knappes Gut und das gesamte Ried sollte trockengelegt und als weitere Ackerfläche gewonnen werden. Die Meliorationsgenossenschaft Niederglatt-Niederhasli-Dielsdorf erreichte bis 1918 die Entwässerung von insgesamt 128 Hektaren Land im Ried, bis in die frühen 1970er-Jahre wurden weitere Flächen trockengelegt.

Renaturierung ab den 1970er-Jahren
Mitte der 1970er-Jahren setzte jedoch ein Umdenken ein. Die Schweizerische Gesellschaft für Vogelkunde und Vogelschutz (Ala) initiierte im Neeracherried die Anlage der «grossen Lagune» (1969) und den drei Hektaren grossen Flachteich (1976/77). Im nahegelegenen Dielsdorfer/Steinmaurer Ried sorgte der Zürcher Vogelschutz für die Schaffung von neuen Wasserflächen. Heute sind von den ursprünglich fünf Quadratkilometern Sumpflandschaft als grösstes Stück das Neeracherried mit 105 Hektaren, der Neerer See mit 13 Hektaren und das Diesdorfer/Steinmaurer Ried mit 16 Hektaren übriggeblieben.