Schnellschüsse gefährden die Energiewende und die Biodiversität

Position von BirdLife Schweiz – April 2023

Seit dem letzten Herbst steht die Natur im Bundesparlament unter Dauerbeschuss: Solar-Express, Wind-Express und Mantelerlass sind die drei grossen Geschäfte im Energiebereich, bei allen wurde der Schutz der Natur abgeschwächt.

Der Solar-Express oder «Lex Bodenmann» wurde in der Herbstsession beschlossen. Bis Ende 2025 können grossflächige Anlagen von Photovoltaik (PV) in unverbauten alpinen Gebieten realisiert werden. Das Gesetz wurde als dringlicher Bundesbeschluss verabschiedet, einem allfälligen Referendum damit die aufschiebende Wirkung entzogen. Da das Gesetz befristet gilt und ein kleiner Anteil der PV-Stromproduktion tatsächlich auf der freien Fläche wird stattfinden müssen, haben BirdLife und andere Umweltorganisationen das Gesetz zähneknirschend akzeptiert. Allerdings ist dieses nicht geeignet, um die PV-Anlagen auf wenig empfindliche Standorte zu lenken, z. B. schwimmend auf Stauseen wie das Pilotprojekt am Lac des Toules VS. Der naturverträgliche und dringende Ausbau der PV auf bestehenden Gebäuden und Infrastrukturen wurde nur für sehr grosse Neubauten mit anrechenbarer Fläche von mind. 300 m2 verpflichtend geregelt.

In der Frühlingssession verabschiedete der Nationalrat analog einen Wind-Express. Dieser wird noch vom Ständerat zu behandeln sein. Er sieht vor, dass die Baubewilligungen für Windanlagen durch den Kanton erteilt werden und schränkt die Beschwerdemöglichkeiten vor Gericht ein. Während BirdLife den Wunsch nach rascheren Verfahren teilt, ist eine Einschränkung des Zugangs zu den Gerichten rechtsstaatlich problematisch.

Der grösste Brocken unter diesen drei Gesetzen ist der Mantelerlass. Der erste Vorschlag aus der Ständeratskommission im letzten Herbst war völlig inakzeptabel und auch rechtsstaatlich nicht haltbar. Der sinnlose Angriff auf die Biotope von nationaler Bedeutung aus dem Ständerat wurde durch den Nationalrat abgelehnt. Ebenso verzichtete der Nationalrat auf die haarsträubende Regelung, wonach die Umweltgesetzgebung ausgehebelt wird, solange ein willkürliches Produktionsziel nicht erreicht ist. Der Nationalrat will aber für einen wichtigen Teil der Gesetzgebung, das Restwasser, eine massive Abschwächung. Dies ist inakzeptabel und auch völlig unnötig, weil die dadurch gewonnene zusätzliche Stromproduktion gering ist; die negativen Konsequenzen für Ökosysteme und Arten wären hingegen gross. Ebenso wollte der Nationalrat im Mantelerlass Solar- und Windenergieanlagen in speziellen Zonen im Richtplan einen grundsätzlichen Vorrang vor allen anderen nationalen Interessen geben. Nur mittels Einzelantrag von Kurt Fluri konnte dieser Vorschlag abgewendet werden. Dieser Vorrang ist verfassungswidrig – durch das Wort «grundsätzlich» versuchte die Politik, die Verletzung der Verfassung zu tarnen. Derselbe Paragraph hätte auch eine Abschwächung der Nutzungsplanung gegenüber der Richtplanung bedeutet. BirdLife muss in der Praxis leider immer wieder schlechte Beispiele von Richtplanungen gerade im Bereich Windenergie feststellen. Deshalb ist eine Schwächung der Nutzungsplanung ohne verbindliche Kriterien zugunsten der Biodiversität in der Richtplanung nicht akzeptabel. Darüber hinaus schwächte der Nationalrat den Schutz der Gletschervorfelder ab.

Die naturverträgliche Energiewende ist möglich, wenn sie auch der Ständerat will. Eine viel sorgfältigere Planung der Standorte und die entschlossene Nutzung des riesigen Potenzials für PV auf bestehenden Gebäuden und Infrastrukturen sind dafür zentrale Voraussetzungen.