Verpasst die Weltgemeinschaft den Moment, die Biodiversitätskrise abzuwenden?

Medienmitteilung von BirdLife Schweiz vom 30. März 2022

Zweieinhalb Wochen lang verhandelten in Genf Arbeitsgruppen der Biodiversitätskonvention die internationalen Ziele für den Erhalt der Biodiversität bis 2030. Im Spätsommer in China sollen diese Ziele von den Vertragsstaaten verabschiedet werden. Doch der Fortschritt war bescheiden, obwohl nicht mehr viel Zeit bleibt, um die bedrohliche Biodiversitätskrise abzuwenden.

Gestern Abend endeten in Genf die Treffen von drei Arbeitsgruppen der internationalen Biodiversitätskonvention. Während zweieinhalb Wochen hätten Staaten, Wissenschaft und Zivilgesellschaft einen weit fortgeschrittenen Entwurf für die 15. Vertragsstaatenkonferenz der Biodiversitätskonvention (CBD) erreichen sollen, die voraussichtlich ab Ende August in Kunming stattfinden wird. Der Fortschritt war jedoch quälend langsam. "Trotz eindeutiger Warnungen der Wissenschaft scheint die Staatengemeinschaft die Bedrohung durch die Biodiversitätskrise noch nicht ernst zu nehmen", sagt Raffael Ayé, Geschäftsführer von BirdLife Schweiz. "Erschreckend ist zudem, dass der zögerliche Fortschritt der Biodiversitätskonvention ausserhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft bisher kaum wahrgenommen wurde und auch in den Medien kaum Erwähnung fand."

Biodiversitätsverlust eine existenzielle Krise für die Menschheit

Bis zu einer Million Arten sind gemäss Welt-Biodiversitätsrat (IPBES) vom Aussterben bedroht, Lebensräume und Ökosysteme sind stark beeinträchtigt. Der Wegfall von Arten kompromittiert die Stabilität der Ökosysteme weiter. In der wissenschaftlichen Gemeinschaft ist breit anerkannt, dass die Menschheit einer gefährlichen Biodiversitätskrise gegenübersteht. Mit der Biodiversität geht auch das Ausmass an Ökosystemleistungen zurück. "In den meisten Fällen ist völlig unbekannt, welche Arten unter veränderten Umweltbedingungen bestimmte Funktionen übernehmen können. Der Erhalt und die Förderung einer möglichst hohen Biodiversität sind deshalb der effizienteste Weg, um die Ökosystemleistungen zu erhalten", erklärt Raffael Ayé.

Um den Biodiversitätsverlust zu bremsen, wurden 2010 in Nagoya in der japanischen Provinz Aichi 20 gemeinsame internationale Ziele verabschiedet. Diese hätten bis 2020 erreicht werden sollen, wurden jedoch gemäss offiziellem UNO-Bericht deutlich verfehlt. Ebenfalls 2020 hätte in Kunming, China, die 15. Vertragsstaatenkonferenz stattfinden sollen. Die Ziele, die in den letzten Tagen in Genf verhandelt wurden, sind also seit zwei Jahren überfällig.

Schleppender Fortschritt

Der Fortschritt in den CBD-Arbeitsgruppen war jedoch bescheiden. Der Text für den globalen Biodiversitätsrahmen ist komplett übersät mit eckigen Klammern – bei internationalen Verhandlungen ein Zeichen, dass die entsprechenden Punkte noch umstritten sind. Viel Zeit wurde für Fragen der Struktur des Dokuments aufgewendet. "Es fehlt einigen Delegationen bisher an der notwendigen Ambition, um ein Abkommen zu erarbeiten, dass den Rückgang der Biodiversität stoppen und umkehren kann", sagt Raffael Ayé. Wichtig sind ambitionierte, konkrete und messbare Ziele zu Arten, Lebensräumen und Ökosystemen. Die Umsetzung muss mit einem Fokus auf Menschenrechte geschehen, wozu für BirdLife auch das Recht auf einen gesunden Planeten gehört. Die Rechte indigener Völker sind bei der Errichtung von Schutzgebieten besonders zu respektieren, weil sie einen grossen Beitrag an den Erhalt intakter Ökosysteme und der Biodiversität leisten. Und schliesslich braucht es bei den Ressourcen ein grösseres Engagement des globalen Nordens.

Die Schweiz spielt für einmal eine positive Rolle

Die Schweiz hat die Organisation der drei Arbeitsgruppentreffen in Genf tatkräftig unterstützt. Mitglieder der Schweizer Delegation haben durch bedachte Moderation und integrierende Stellungnahmen das Mögliche zum Gelingen beigetragen. Die Schweiz ist zudem Mitglied der sogenannten High Ambition Coalition, die ein ambitioniertes – sprich aus wissenschaftlicher Sicht ausreichendes – Abkommen fordert. "Die Schweiz nimmt in Genf und im Kontext der Biodiversitätskonvention eine konstruktive Rolle ein. Wenn jedoch die 15. Vertragsstaatenkonferenz ein Erfolg werden soll, dann braucht es noch mehr und insbesondere auch Fortschritte bezüglich Ressourcen für die Umsetzung", sagt Raffael Ayé von BirdLife Schweiz.
 

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