Wald

Lebendiges Totholz

Was auf den ersten Blick tot scheint, ist auf den zweiten quicklebendig: totes Holz. Rund 5000 Arten sind auf den Lebensraum Totholz angewiesen. Pilze, Käferlarven, Asseln usw. zersetzen altes und totes Holz. Flechten, Moose, Vögel und Insekten leben auf und im Totholz. Kleinsäuger, Reptilien und Amphibien verstecken sich darunter, Schnecken suchen Feuchtigkeit und Nährstoffe im liegendem Totholz.

Im Kreislauf des Waldes ist totes Holz ein natürliches Element der Altersphase und spielt eine wichtige Rolle als Lebensraum und für den Nährstoffkreislauf im Wald. Nachdem in den letzten Jahren vermehrt Totholz im Wald belassen wurde, droht im Zusammenhang mit der Energieholznutzung wieder ein Rückgang. Dabei braucht es in unseren Wäldern an vielen Orten mindestens 2-3 mal mehr Totholz als heute, um nur schon die Bedürfnisse der häufigeren Totholzarten abzudecken.

Es ist daher nötig, die Bedeutung des Totholzes zu thematisieren. Wir können es uns nicht leisten, etwa 5000 Arten, ein Viertel aller Arten im Wald, buchstäblich zu verheizen. Zur Bereitstellung von Energieholz müssen Lösungen gesucht werden, die auch den nötigen Anteil an Totholz im Wald belassen. Dies erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen Waldbesitzern, Förstern und Naturschützern.

BirdLife Schweiz will die Bedeutung des Totholzes aufzeigen und damit auch die notwendigen Gespräche zwischen den Akteuren im Wald in Gang bringen. So sollen Lösungen gefunden werden, die eine faszinierende Artengemeinschaft erhalten und dennoch die Nutzung des Waldes erlauben.

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  • Es bildet die Lebensgrundlage für 5000 teils stark bedrohte Arten, welche vor allem in der zweiten Hälfte des Waldzyklus leben.
  • Zersetztes Totholz liefert die Nähr- und Mineralstoffe für einen gesunden Boden und die nächste Baumgeneration.
  • Totholz ist in den Alpen sehr wichtig als Anwachshilfe für junge Bäume.
  • Dickes, stabilisiertes Totholz dient als Erosionsschutz und vermindert Lawinenabgänge.
  • Totholz reguliert das bodennahe Mikroklima und sorgt für genügend Feuchtigkeit für Schnecken, Amphibien und Moose.
  • Durch das Umstürzen alter Bäume wird der Lichteinfall gefördert und damit das Blütenangebot, auf welches zahlreiche Insekten angewiesen sind, z.B.  viele erwachsene Totholzkäfer.
  • Unter oder hinter dickem Totholz hat es im Winter bei Schnee oftmals apere Stellen oder zumindest Stellen mit weniger Schnee, auf welchen Vögel und Säugetiere leichter Nahrung suchen können.

Totholz ist ein charakteristisches Merkmal natürlicher Wälder. In einigen osteuropäischen Urwäldern hat man Totholzmengen von 50-200 m3/ha gefunden, in manchen sogar 400! In naturnahen Wäldern ist rund ein Viertel bis die Hälfte des Holzvorrates totes Holz. Mit diesen Werten können die Schweizer Wälder nicht mithalten. In unseren Wirtschaftswäldern werden die meisten Bäume gefällt, lange bevor sie überhaupt Totholzstrukturen aufweisen.
Die Menge an Totholz nimmt in den letzten Jahren zu. In den Wäldern des Mittellandes findet man durchschnittlich 10-17 m3 Totholz pro Hektare, in den Voralpen und Alpen liegen die Durchschnittswerte sehr oft über 20 m3/ha, an einigen Orten betragen sie bis zu 44 m3/ha. Noch immer gibt es aber viele Flächen mit weniger als 10 m3/ha.  Eine grosse Menge des vorhanden Totholzes konzentriert sich zudem auf Schadensflächen des Sturms Lothar und weist deshalb das gleiche Alter und den gleichen Zersetzungsgrad auf. Viele Arten sind aber auf das kontinuierliche Vorkommen desselben Totholzstadiums angewiesen und können von diesen Sturmflächen nur während einer begrenzten Dauer profitieren.

In Mitteleuropa und der Schweiz wurden bei Untersuchungen folgende Schwellenwerte für Totholzbewohner gefunden (m3/ha):

  • 30-60 für häufigere Totholz-Käferarten
  • mind. 100-150 für Urwaldreliktarten bei den Käfern
  • über 60  damit ein grosser Teil der Holzpilze Lebensraum findet
  • über 50  für die meisten Schneckenarten
  • 20  für den Dreizehenspecht, 50 für den Weissrückenspecht.

Diese Werte zeigen, dass es in der Schweiz allein zur Sicherung der häufigeren  Totholzbewohner 2-3 mal mehr Totholz braucht, als heute vorhanden ist. Spezialisten benötigen deutlich über 100 m3/ha.


Nicht nur die Menge an Totholz, auch die Baumart, die Dicke, das Abbaustadium, die Lage und Besonnung oder Beschattung haben Einfluss auf die Besiedlung durch bestimmte Arten. Der spezifische Lebensraum sollte auch kontinuierlich vorhanden sein. Die Artenvielfalt der Lebewesen auf Alt- und Totholz ist dermassen gross, weil ganz viele verschiedene Kombinationen dieser Faktoren möglich sind und sich dadurch immer wieder andere Lebensräume ergeben. Viele Käferarten bevorzugen jedoch dickes, besonntes und stehendes, aber auch liegendes Totholz, da deren Larven oft 2-8 Jahre darin leben.
Durch den Abbau des Totholzes entstehen Strukturen wie Mulmhöhlen, Risse, Spalten, abstehende Rinde, Käfergänge, Pilzkörper, wassergefüllte Stammfusshöhlen, die zusätzlich spezielle Lebensräume bilden, welche eine eigene Artengemeinschaft beherbergen.
Zahlreiche Insektenarten benötigen jedoch nicht nur Totholz während ihrer Larvenentwicklung. Die adulten Tiere saugen oft Nektar auf Blüten von Stauden und Büschen. Blüten kommen dort vor, wo es Licht hat. Es braucht also in unmittelbarer Nähe von Totholz auch blütenreiche Stellen wie Lichtungen, breite Wegränder mit hohem Blütenangebot, artenreiche Blumenwiesen am Waldrand, lichte Waldbestände.


Erhalten von stehendem und liegendem Totholz, insbesondere auch von besonntem Totholz, in allen Abbaustadien

  • kontinuierliches Angebot von Totholz gewährleisten
  • vor allem auch starkes Totholz im Wald lassen
  • Kronen unzersägt im Wald liegen lassen
  • Ringeln von Bäumen
  • Ausscheiden von 5-10 Biotopbäumen pro Hektare. Markieren derselben im Wald mit dem blauen Spechtsignet und einzeichnen in Plänen
  • im Zuge der Verkehrssicherheit Bäume nur soweit kürzen, als es für die Sicherheit wirklich notwendig ist
  • an Wegrändern 3-4 m hohe Stümpfe und Stöcke stehen lassen
  • Erhalten von Höhlenbäumen
  • auch Pioniergehölze und Büsche altern lassen
  • bei Windwurfflächen möglichst viel Holz liegen lassen
  • Ausscheiden von Altholzinseln und Waldreservaten

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