10 Jahre Biodiversitätsstrategie: jetzt Turbo zünden

Position von BirdLife Schweiz – Juni 2022

«Die Biodiversität ist reichhaltig und gegenüber Veränderungen reaktionsfähig. Die Biodiversität und ihre Ökosystemleistungen sind langfristig erhalten» – diese schönen Worte hat der Bundesrat vor zehn Jahren als Eckpfeiler der Strategie Biodiversität Schweiz verabschiedet. Heute ist die Schweiz weiter davon entfernt denn je. Während eines ganzen Jahrzehnts haben Behörden und Politik zögerlich und absolut ungenügend agiert. Der Bund hat nicht einmal ernsthaft versucht, die Ziele der Biodiversitätsstrategie zu erreichen. Angesichts der Biodiversitätskrise ist das unverantwortlich.

Um in der Schweiz eine reichhaltige, reaktionsfähige Biodiversität und die daraus resultierenden Ökosystemleistungen langfristig zu erhalten, wären zahlreiche Massnahmen notwendig gewesen. In der Biodiversitätsstrategie sind diese Massnahmen vier Bereichen zugeordnet: den hochwertigen Flächen für die Biodiversität, der nachhaltigen Ressourcennutzung in allen Sektoren, dem Bewusstsein über die Biodiversität als Lebensgrundlage sowie der Verantwortung der Schweiz für die globale Biodiversität. Der dringend notwendige Fortschritt wurde in zehn strategischen Zielen festgehalten. Zusammen mit den Teilzielen ergibt sich ein Total von 18 Zielen. Gemäss der Analyse von BirdLife Schweiz wurde keines davon erreicht. Bei knapp einem Drittel der Ziele gibt es wenigstens erste Fortschritte. Der Aufbau der Ökologischen Infrastruktur jedoch kommt schon in der Planung nur schleppend voran. Erst die Biodiversitätsinitiative von BirdLife und weiteren Schutzorganisationen hat hier für Druck gesorgt; im Rahmen seines Gegenvorschlags sieht der Bundesrat nun erste wichtige Massnahmen vor. Bei der Förderung der Biodiversität auf bundeseigenen Grundstücken ist praktisch nur die Armee aktiv.

 

«Ein «Weiter so» würde noch mehr Schäden an der biologischen Vielfalt auf kommende Generationen überwälzen.»


Zur Korrektur biodiversitätsschädigender Subventionen hat der Bund bis 2020 wenig oder nichts getan. Erst als die Forschungsanstalt WSL und das Forum Biodiversität Schweiz der Akademie der Naturwissenschaften (SCNAT) eine wissenschaftliche Studie veröffentlichten, kam Bewegung in die Sache. Und um das Bewusstsein über die Biodiversität als Lebensgrundlage zu verbessern, müsste der Bund viel aktiver zur Biodiversitätskrise kommunizieren.

Ein «Weiter so» würde noch mehr Schäden an der biologischen Vielfalt auf kommende Generationen überwälzen. Das darf nicht geschehen. Vielmehr müssen Politik und Behörden nach zehn Jahren endlich den Turbo zünden. Die Biodiversitätsstrategie ist nach wie vor eine gute Grundlage. Einzelne Ziele müssen aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse aktualisiert werden, aber als Fundament ist die Strategie nach wie vor richtungsweisend.

Der Aktionsplan zur Biodiversitätsstrategie, den der Bundesrat 2017 verabschiedet hat, ist hingegen absolut ungeeignet, um die 18 Ziele zu erreichen. Er ist unvollständig und bildet kein fachlich priorisiertes und stimmiges Gesamtpaket. Sehr wichtige Bereiche wie die Ökologische Infrastruktur sind ungenügend verankert, andere Bereiche wie Handel, Konsum und Energie fehlen ganz. Ein zukünftiger Aktionsplan Biodiversität muss betreffend Massnahmen und Ressourcen den grossen Herausforderungen genüge tun.